Jump to content
  • Blog , Digital Transformation
  • Veröffentlicht am: 05.01.2022
  • 4:17 mins

Digitaler Produktpass

Gesetzliche Anforderung oder Enabler der Circular Economy?

Wie wichtig der digitale Produktpass für die Umsetzung einer Circular Economy ist, zeigt zum Beispiel ein Blick in den Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP.

„Wir führen digitale Produktpässe ein, unterstützen die Unternehmen bei der Umsetzung und wahren das Prinzip der Datensparsamkeit“, heißt es dort. Digitale Produktpässe werden dabei verstanden als Teil einer „nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie“. Die Europäische Kommission nennt in ihren beiden Strategiepapieren „European Green Deal“ und „Circular Economy Action Plan“ den digitalen Produktpass als wesentliches Instrument für eine klimaschonende und ressourceneffiziente Wirtschaft. Dass aus solchen politischen Absichtserklärungen früher oder später echte rechtliche Vorgaben werden, ist naheliegend. Bereits 2022 könnten durch die neue EU-Batterie-Verordnung erste Fakten geschaffen werden. Aber auch jenseits der politischen Vorgaben zur Entwicklung einer Circular Economy gewinnt das Thema an Dynamik. Unternehmen achten – veranlasst durch ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und insbesondere das Fokusthema Nachhaltigkeit in der Lieferkette – vermehrt auf eine nachhaltige Beschaffung und geben Nachhaltigkeitskennzahlen als Vergabekriterium vor. Auch für rund Dreiviertel der privaten Konsument*innen in Deutschland ist laut aktueller „Global Sustainability Study 2021“ Nachhaltigkeit heute ein kaufentscheidender Faktor. Aus der transparenten Bereitstellung von Nachhaltigkeitsdaten kann dementsprechend schnell ein relevanter Business Case werden.

Ganzheitlicher Blick auf ein Produkt

Der digitale Produktpass spielt bei all dem deshalb eine zentrale Rolle, weil er etliche Daten zu einem Produkt versammelt und diese kontinuierlich über den Lebenszyklus fortschreibt – etwa Materialstammdaten, Daten zur Materialzusammensetzung, Nachhaltigkeitsdaten wie Lifecycle-CO2-Emissionen, Verwertungsdaten wie Demontageanleitungen oder Sicherheitsinformationen. Auf diese Weise entsteht ein ganzheitlicher Blick auf ein Produkt, der für verschiedene interne und externe Nutzergruppen interessant ist. Typische interne Stakeholder stammen vor allem aus den Bereichen Compliance, R&D oder Business Development und benötigen die Daten, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen, die Produktentwicklung zu optimieren oder die strategische Ausrichtung des Unternehmens anzupassen. Zu den externen Stakeholdern gehören vor allem Zulieferer, die einerseits ihre Daten offenlegen müssen und andererseits vor allem ihre Nachhaltigkeitsleistung als Verkaufsargument nutzen wollen, Kund*innen, die nachhaltige Konsumentscheidungen treffen möchten, Reparaturunternehmen, die die Produktnutzungsdauer verlängern wollen, sowie Verwertungs- und Recyclingunternehmen am Produkt-End-of-Life. Erstellen lässt sich ein digitaler Produktpass grundsätzlich für jede Art von Produkt. Anzunehmen ist allerdings, dass sich das elektronische Dokument zunächst bei solchen Produkten etabliert, die besonders ressourcen- und energieintensiv sind und eine hohe Komplexität bei der Materialzusammensetzung aufweisen. Das ist zum Beispiel bei Hochvoltspeichern in Elektrofahrzeugen der Fall – für die die EU-Batterie-Verordnung gilt.

Denn erst wenn Klarheit besteht, können sie sicher sein, dass ihre Anstrengungen auch zielführend sind.

Das alles klingt wahnsinnig positiv, viele Unternehmen sind motiviert zu handeln. Das wird ihnen derzeit aber noch erheblich erschwert. Denn politische Institutionen haben das Thema zwar auf ihrer Agenda – eine konkrete Definition standardisierter Anforderungen fehlt aber noch. Problematisch ist diese Unklarheit, weil Unternehmen für die Realisierung eines digitalen Produktpasses etliche Daten aus diversen Quellsystemen zusammenführen, aggregieren und dann nutzerzentriert bereitstellen. Das ist schon im eigenen Unternehmen nicht ganz einfach, weil nicht alle Daten ohne weiteres verfügbar sind – das gilt insbesondere für Nachhaltigkeitsdaten. Jenseits der Unternehmensgrenzen wird es dann aber richtig anspruchsvoll. Viele Unternehmen fordern deshalb einen gemeinsamen Ansatz zur Entwicklung eines Standards für digitale Produktpässe und arbeiten bereits an konkreten Vorschlägen. Denn erst wenn Klarheit besteht, können sie sicher sein, dass ihre Anstrengungen auch zielführend sind.

Trotz dieser unbefriedigenden Situation kann jedes Unternehmen schon heute sinnvoll aktiv werden. Dabei kommt es für alle Unternehmen, besonders aber für den Mittelstand, auf ein schlankes und funktionales Umsetzungskonzept an, um den Aufwand für die Sammlung und Aggregation der Daten im Rahmen zu halten. Zögern Sie also nicht, mit Ihrer Initiative für die Umsetzung eines digitalen Produktpasses zu starten! Wir schlagen dafür ein siebenstufiges Vorgehensmodell vor:

1. Anforderungsanalyse
Analysieren Sie aktuelle und zukünftig relevante gesetzliche Anforderungen und leiten sie daraus sowohl funktionale als auch nicht-funktionale Anforderungen für Ihren digitalen Produktpass ab.

2. Nutzerzentrierung
Identifizieren Sie die Datenbedarfe Ihrer relevanten Nutzergruppen durch Interviews, User Journeys oder zu testende Hypothesen. Stellen Sie Use Cases auf, betrachten Sie die potenziellen Auswirkungen auf Ihren Business Case und definieren Sie relevante Metriken. Validieren Sie Ihre Annahmen in direkten Gesprächen mit Ihren Nutzergruppen.

3. Konzeption
Auf Basis Ihrer Erkenntnisse aus den Iterationen mit Ihren Nutzergruppen konzeptionieren Sie den Ziel-Zustand Ihres digitalen Produktpasses. Erstellen Sie ein Datenmodell, eine Architektur sowie nutzerfreundliche User Interfaces. Identifizieren Sie vorhandene Datenquellen und Attribute und finden Sie eine geeignete Umsetzungsumgebung.

4. Pilotierung
Nachdem Sie Ihre Konzeption des digitalen Produktpasses abgeschlossen haben, starten Sie mit einer Pilotierung auf Basis Ihrer Erkenntnisse und Hypothesen. Binden Sie dabei in einem iterativen Vorgehen verschiedene Datenquellen ein, aggregieren Sie Daten und führen Sie damit eine mehrstufige technische Erprobung durch. Vergleichen Sie qualitativ und quantitativ verschiedene Ansätze und Technologien.

5. Realisierung
Ausgehend von den Ergebnissen der Pilotierung können Sie den digitalen Produktpass zielgerichtet technisch weiterentwickeln, diesen in Ihre IT-Infrastruktur einbetten und ersten Nutzergruppen zur Verfügung stellen.

6. Skalierung
Entwickeln Sie eine Roadmap zur Skalierung Ihres digitalen Produktpasses. Identifizieren Sie dazu relevante Plattformen, Konsortien und übergreifende Partner. Analysieren Sie weitere Use Cases für den Einsatz ihres digitalen Produktpasses und nutzen Sie die entstehenden Potenziale zur Optimierung Ihrer Business Cases.

7. Betrieb
Finden Sie ein geeignetes langfristiges Betriebsmodell: ob auf eigener Unternehmensinfrastruktur, auf Cloud-Plattformen oder bei Drittanbietern wie MHP – ein durchgängiges Reporting und kontinuierliche Verbesserungsprozesse sind für einen nachhaltigen Betrieb unabdingbar.

Für einen detaillierteren Austausch zu den Potenzialen und Umsetzungsmöglichkeiten von digitalen Produktpässen in Ihrem Unternehmen, sprechen Sie uns gerne an!

Über unsere Autorin

Ein “Better Tomorrow” geht nicht ohne…:
...den Zusammenhalt und die Rücksicht der Menschheit auf der ganzen Welt. Hierfür werden Technologien wie Blockchain benötigt, um die Basis zu schaffen: Vertrauen und Verständnis für das verteilte „Wir“ – weniger das zentrale „Ich“.

Mein Herz schlägt schneller für…:
... die große weite Welt!

Katarina Preikschat

Manager, MHP

LinkedIn

Über unseren Autor

Ein “Better Tomorrow” geht nicht ohne...:

  • Den Blick auf das große Ganze
  • Den Mut für systematische Veränderungen
  • Nachhaltige Bottom-up-Innovationen

Mein Herz schlägt schneller für…:

  • Realen Impact schaffen

Simon-Alexander Appel

Manager, MHP

LinkedIn